La Salette

ein bedeutender, kirchlich anerkannter Wallfahrtsort

von Pfarrer Karl Eger


Wer kennt La Salette? - Ein ursprünglich unbekanntes Dorf in einem vergessenen Tal der französischen Alpen.

Etwa 12 kleine Weiler klammern sich an die unteren Hänge eines Bergkessels. Er führt hinauf in eine Höhe von mehr als 2200 m. Wildbäche stürzen die Hänge hinab und fließen in einer düsteren, gewundenen Schlucht zusammen. Der Marktflecken Corps wacht über den Ausgang und die Verbindung zur großen Napoleon-Straße.

Am 19. September 1846 ereignet sich dort, was sich später in Lourdes und Fatima geheimnisvoll wiederholen wird: Die Gottesmutter Maria erscheint, um zur Umkehr zu rufen.

Zeugen sind zwei armselige Hirtenkinder: Maximin Giraud und Melanie Calvat.

Was sehen die beiden Kinder? - Über einem Schein in der Bergmulde, auf dem sie eben noch geschlafen hatten, um sich vom Hüten der Kühe auszuruhen, schwebt eine geheimnisvolle Feuerkugel. Sie meinen, die Sonne sei herabgefallen. Das Licht wird immer größer und leuchtender.

Schließlich beginnt die Helle durchsichtig zu werden: im Gefunkel des Lichtes erscheinen zwei Hände und in den Händen verbirgt sich ein Gesicht. Immer deutlicher wird die Gestalt. Eine Frau - wie von einer schweren Last gebeugt oder von einem großen Leid niedergedrückt - sitzt auf dem Felsen.

Jetzt beginnt sich der Lichtkreis nach oben zu erweitern und die Frau erhebt sich, nimmt ihre Hände vom Antlitz, wendet sich den staunenden Kindern zu und spricht: "Kinder, fürchtet euch nicht, kommt näher! Ich bin hier, euch eine wichtige Botschaft mitzuteilen."

Ihre Stimme klingt mild und lieblich wie Musik. Nun richtet die Frau - die Kinder nennen sie "schöne Frau" - ihre Botschaft an sie. Ihre Augen aber sind erfüllt von unendlichem Schmerz und Tränen begleiten alle ihre Worte.

Maria weint:

Maria weint um ihren Sohn Jesus, der von den Menschen verkannt wird, ja abgelehnt, verspottet undlächerlich gemacht wird. Sie weint über so viele verstockte Sünder, über unsere Lauheit und Gleichgültigkeit. "In mütterlicher Liebe trägt sie Sorge für die Brüder und Schwestern ihres Sohnes, die noch auf der Pilgerschaft sind, von Gefahren und Nöten bedrängt" (Lumen gentium 62). Sie weint auch, weil wir ihre mütterliche Fürbitte oft so wenig schätzen.

Maria spricht zu den Kindern und zu uns: "Wenn mein Volk sich nicht unterwerfen will, bin ich gezwungen, den Arm meines Sohnes fallen zu lassen. Er ist so schwer und so drückend, daß ich ihn nicht länger zurückhalten kann. Schon so lange leide ich um euch. Aber ihr macht euch nichts daraus.

Wenn ich will, daß mein Sohn euch nicht verlasse, bin ich gezwungen, ihn ohne Unterlaß für euch zu bitten. Ihr aber macht euch nichts daraus.

Ihr könnt beten und tun, soviel ihr wollt, nie werdet ihr mir die Mühe vergelten können, die ich euretwegen auf mich genommen habe."

Das Umkehr (Metanoia) oder Buße kommt in der Bibel ca. fünfzig mal vor. Was ist damit gemeint? - Maria greift dieses zentrale Thema der Bibel neu auf.

Als weinende Mutter richtet sie die Botschaft um Umkehr an die ganze Menschheit - wie später in Lourdes 1858 und dann in Fatima 1917.

Bekehrung ist ein Werk der göttlichen Gnade. Sie gibt uns den Anstoß. Von ihr kommt die Erleuchtung unseres Gewissens. Sie gibt dem schwachen Willen die übernatürliche Kraft, die er braucht, um die Ketten der Sünde zu sprengen, gegen die Macht alter Gewohnheiten anzukämpfen und entschlossen, alles auf sich zu nehmen, um Christus treu nachzufolgen.

Zur Gnade Gottes, die uns entgegenkommt, muß unser freier Wille kommen, die Bereitschaft des Herzens, am Werk der göttlichen Gnade mitzuwirken.

Gott zwingt niemand seine Gnade auf. Sich bekehren - wie Maria es von uns wünscht - heißt, entschlossen umkehren, die falsche Richtung ändern, sein Leben ändern, erneuern, nach dem Willen Gottes in den zehn Geboten ausrichten.

Selbstbesinnung, Neuanfang, sein Leben auf Christus hin richten, ist nicht leicht. Es ist eigentlich ein lebenslänglicher, mühsamer Prozeß, zu dem vor allem Beharrlichkeit gehört, Durchhaltekraft. Von Maria unter dem Kreuz ihres Sohnes können wir dies lernen. Sie ist bereit, uns zu stützen, wenn wir zu fallen drohen, wenn Rückschläge uns erlahmen lassen, Rückfälle in alte Gewohnheiten uns ermüden.

An ihrer fürsorglichen Mutterhand können wir mutig immer wieder neu anfangen im Vertrauen: ein Kind Mariens geht niemals verloren.

In Stunden bitterer Entmutigung tröstet uns ein Blick auf die weinende Mutter. Sie hört nie auf darum zu bitten, daß Gott uns nicht nur die Gnade der Einsicht und Umkehr gibt, sondern auch die nötige Beharrlichkeit, die Standhaftigkeit im Guten. In der Geduld werden wir - nach dem Wort der Hl. Schrift - unsere Seele retten.

Strahlender Mittelpunkt der Erscheinung in La Salette war das große Kreuz an einer goldenen Halskette auf der Brust der Gottesmutter. Von diesem Kreuz aus schaut Jesus die Seherkinder an, als wäre er lebendig.

Das hellste und strahlendste Licht der himmlischen Vision geht von diesem Kreuz als Mittelpunkt aus. Die Kinder können es nicht genug bewundern.

In dieses innerste Licht können sie nicht gelangen. Der Gekreuzigte und Auferstandene ist Urgrund und Herzstück der Erscheinung. Er ist es, der durch seine Mutter Maria mahnt.

Im „Salve Regina" beten wir: „Nach diesem Elende zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes!" (Mariengebet des Benediktinermönchs Hermann des Gelähmten um das Jahr 1000 auf der Reichenau) „Zeige uns Jesus", das ist die größte Aufgabe Mariens, der Sinn und Inhalt ihres Lebens und ihrer Berufung.

Im Zeichen des Kreuzes steht unser ganzes Christenleben. Es ist das Symbol unseres christlichen Glaubens an den göttlichen Heilswillen und unsere Erlösung.

Vom Kreuz her erhält unser Leben und Sterben Licht und Sinn. Durch die Auferweckung des Gekreuzigten ist dieses Erlöserkreuz nicht abgeschafft, es bleibt bestehen, aber es hat sich wunderbar verwandelt: aus Schuld, Leid und Tod kann Christusbegegnung werden, hellstes Licht in dunkelster Nacht.

Die Seherkinder bemerken etwas, was unsere Aufmerksamkeit verdient: die Tränen der Madonna fallen nur bis zur Höhe des Kreuzes auf ihrer Brust und werden dort in strahlende, schimmernde Lichtperlen verwandelt. Im Lichte des Gekreuzigten erst entfalten diese glitzernden Perlen ihre volle Leuchtkraft.

Dies ist eine großartige Darstellung der christlichen Lehre vom Leiden. Unser Glaube will nicht eine Verherrlichung der Leiden und Tränen auf dieser Erde. Wir sollen gewiß alles Menschenmögliche tun, um Leiden und Not dieser Welt zu lindern. Aber Christus wußte auch, daß wir „Arme allezeit unter uns haben werden". Er hat uns nicht versprochen, uns vor Kreuz, Widerwärtigkeiten, Leid und Tränen zu bewahren.

Aber alle Tränen dieser Erde können wir in hilfreiche Gnaden für uns und für andere verwandeln, sie werden zu leuchtenden Lichtperlen, wenn wir unser Ja zum Willen Gottes sagen, das Lebenskreuz im Blick auf den Schmerzensmann am Kreuz geduldig auf uns nehmen und so „Miterlöser" dieser leidvollen Erde werden. Reinhold Schneider schrieb einmal in tiefer Leidenskrise: „Trage dein Kreuz - dann wird das Kreuz dich tragen!"

Maximin und Melanie sehen, daß das Kreuz auf der Brust der Madonna mit Hammer und Zange geschmückt ist. Sie schweben am Querbalken, zwei auffallende Symbole, die nach einer näheren Erklärung verlangen.

Der hl. Pfarrer von Ars deutete sie tiefsinnig: „Hammer sind wir dann, wenn wir sündigen. Dann schlagen wir Christus ans Kreuz. Dann sind wir zugleich Schädlinge und Blutsauger der menschlichen Gesellschaft.

Zange sind wir aber dann, wenn wir die Sünden bereuen und gute Werke tun. Dann lösen wir Christus gleichsam vom Kreuz und sind zugleich Blutspender und Wohltäter der Menschen."

Es gehört zu unserer Würde und Verantwortung, die Liebe Christi anzunehmen, zu erwidern - oder sie abzulehnen, zu verachten.

So steht Christus immer zwischen dem Hammer unserer Ablehnung und der Zange unserer Bekehrung. - Das Kreuz mit Hammer und Zange - Salettinerkreuz genannt - ist Erkennungszeichen der Salettinerpatres und der La Salette-Pilger.

Aus Anlaß des 150. Jahrestages der Erscheinung Mariens in La Salette sandte Papst Johannes Paul II. dem Bischof von Grenoble ein bemerkenswertes Jubiläumsschreiben - leider wurde dieses von der deutschen Presse fast ganz totgeschwiegen (Ausnahme Deutsche Tagespost und PUR-Magazin).

Darin kommt er auf die Bedeutung der Botschaft von La Salette für unsere Zeit zu sprechen und äußert sich zu der schon seit dem 19. September 1851 von der Kirche als echt anerkannten Marienerscheinung so: „Die Ausstrahlung des Ereignisses von La Salette bezeugt sehr gut, daß die Botschaft Mariens nicht nur in ihrem Leiden, dem sie in den Tränen Ausdruck verleiht, liegt. Maria ruft uns zur Umkehr auf: Sie lädt ein zur Buße, zur Ausdauer im Gebet und besonders zur Treue in der Sonntagsheiligung.

Sie bittet darum, daß ihre Botschaft durch das Zeugnis der beiden Kinder ihrem ganzen Volke überbracht werde.

Und tatsächlich verschaffte ihre Stimme sich schnell Gehör. Die Pilger kommen, viele Bekehrungen finden statt.

Maria war in einem Licht erschienen, das an dem Glanz, der durch die Erlösung Christi verklärten Menschheit erinnert: La Salette ist eine Botschaft der Hoffnung; denn unsere Hoffnung wird unterstützt durch die Fürbitte jener, welche die Mutter der Menschen ist.

Auch was zerbrochen wurde, kann wieder gut gemacht werden. Maria ist in der Kirche gegenwärtig wie am Tag des Kreuzes, am Tag der Auferstehung und am Pfingsttag.

In La Salette hat sie ihre Beharrlichkeit im Gebet für die Welt klar geoffenbart. Sie wird die Menschen, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind und denen es gegeben ist, Kinder Gottes zu werden (Joh 1,12), nie verlassen. Möge sie alle Nationen der Erde zu ihrem Sohne führen!" (Vatikan 6.5.96)

Unsere liebe Frau von La Salette, Versöhnerin der Sünder

Tränen rinnen über dein Antlitz, Mutter der Versöhnung, weil du unsere Nacht kennst, weil deine Liebe Zärtlichkeit ohne Ende ist.

Trockne, Mutter Maria, deine Tränen; denn wir haben dich verstanden.

Du hast uns den Weg zu Jesus neu gezeigt. Mit dir werden wir zu ihm gehen.


Adresse: Sanctuaire de la Salette, F-38970 Corps, Tel: 0033-76300011


Jährliche Pilgerfahrten nach La Salette führt die Pfarrei Engerazhofen (Allgäu) durch. Kontaktadresse: Pater Waldemar Wrobel MS, Kath. Pfarramt, 88299 Engerazhofen, Tel: 07561-3673. Dort sind auch La Salett-Bücher, Rosenkränze, Videos usw. erhältlich.

Engerazhofen wird Klein-La Salette genannt. Dort sind Nachbildungen der Marienstatuen wie auf dem Hl. Berg und eine La Salette-Kapelle.


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